© Sammlungsnetzwerk Universität Stuttgart/Katja Stefanie Engstler
Was sind Kreiselgeräte?
Kreiselgeräte, wie sie sich in den Schränken hinter mir befinden, sind Navigationshilfen für die Fahrzeugnavigation, in der Luft- und Raumfahrt, aber auch bei Hochseeschiffen. Ähnlich wie ein Kompass geben Sie ein Orientierungsmittel des Fahrzeugs an, nämlich die Drehung um die Hochachse, das ist das sogenannte „Gieren“, die Neigung zur Seite, das sogenannte „Rollen“, die Längsneigung, das sogenannte „Nicken“. Der Kern der Instrumente besteht auch einer rotierenden Scheibe, deren Drehachse bei geeigneter Lagerung immer eine konstante Lage im Raum einnimmt. Die Richtung dieser Drehachse dient dann als Referenz für die Messung dieser gerade angegebene Winkel. In abgewandelter Bauart werden Kreiselgeräte auch zu Messung der Rotationsgeschwindigkeit von Fahrzeugen eingesetzt. Drei solcher Geräte liegen hier vor mir und zwar in einer Konfiguration, dass jeweils ein Gerät die Rotationsgeschwindigkeit um eine der drei räumlichen Achsen misst. Die Geräte repräsentieren den technischen Stand von vor etwa 60 Jahren. Seitdem hat die Mikrosystemtechnik zu einer dramatischen Verkleinerung der Instrumente geführt. Sie passen heute zusammen mit drei Beschleunigungsmessern auf einen kleinen elektronischen Chip der selbst in Smartphones verbaut werden kann. Allerdings besitzen diese Chips bei weitem nicht die Anschaulichkeit der Geräte hier in der Sammlung.
Wie ist die Sammlung entstanden?
Verknüpft mit dem Namen Richard Grammel und seinem Nachfolger Kurt Magnus als Leiter des damaligen Instituts für Mechanik an der Fakultät für Maschinenwesen besitzt die Kreiseltechnik an der Universität Stuttgart eine über 100jährige Tradition. Anfang der 1960er Jahre begann Kurt Magnus mit seinen Mitarbeitern mit dem Aufbau der Sammlung um sie für Forschung und Lehre einzusetzen. Hierzu wurden einzelne Geräte aufgeschnitten oder umgebaut, wie wir es hier mit Kurskreisel Siemens LKu4 sehen. Einige Geräte blieben im Originalzustand erhalten. Daher hat die Sammlung heute eine wichtige museale historische Bedeutung. Die Sammlung verblieb vielen Jahre am Institut A der heutigen Fakultät 7. Sie erhielt außerdem einen Ableger an der TU München, als Kurt Magnus dorthin berufen wurde. Später wurde die Sammlung eingemottet, da die Kreiseltechnik in der Ingenieursausbildung nicht mehr den Stellenwert hatte, wie früher.
Im Rahmen des BMBF-Projekts Gyrolog konnte die Sammlung wurde die Sammlung kürzlich wieder reaktiviert. Die Sammlung wurde historisch aufgearbeitet, digitalisiert und virtuell wieder mit der Münchner Tochtersammlung wieder zusammengelegt. Sie ist nun Teil der digitalen Sammlung der Universitätsbibliothek und im Internet öffentlich zugänglich.
Was ist das interessanteste Objekt?
Die Frage ist nicht einfach zu beantworten, weil die Sammlung thematisch relativ breit aufgestellt ist. Erwähnen möchte ich noch einmal den Kurskreisel Siemens LKu4, der während des 2. Weltkriegs in Berlin- gebaut wurde. Als nächstes nenne ich den Lagekreisel und Beschleunigungsmesser der Plattform LM3, die bei Litton in Freiburg gebaut wurde und im historischen, legendären Kampfflugzeug Starfighter zum Einsatz kam. Der Wendekreisel LWK 100 liegt mir besonders am Herzen, weil ich mit diesem Gerät persönlich als Doktorand noch arbeiten durfte. Er veranschaulicht sehr schön die minimale Größe, die man mit solchen mechanischen Teilen gerade noch erreichen konnte. Und schließlich sind die verschiedenen Kreiselkompasse der Firma Anschütz in Kiel zu erwähnen, die in dieser Form, wie wir sie hier habe bis heute gebaut werden und an deren Entwicklung selbst eine Person wie Albert Einstein persönlich beteiligt war.